Die Lutherstadt Wittenberg hatte zur feierlichen öffentlichen Festsitzung des Stadtrates “25 Jahre Deutsche Einheit“ auch Vertreter der Stadt, des Gemeinderates und der Vereine aus Bretten eingeladen. Gerne wurde diese ehrende Einladung angenommen.
In die Festsitzung des Gemeinderates, die von der Stadtratsvorsitzenden Franziska Buse eröffnet wurde, war die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer eingebettet, wodurch die Rednerliste neben den Oberbürgermeistern aus der Lutherstadt Wittenberg, Bretten und Göttingen noch durch Dr. Gregor Gysi, Klaus Staeck sowie dem Geehrten selbst prominent erweitert wurde. OB Torsten Zugehör ging zunächst auf seine Geschichte ein, wobei für ihn immer im Vordergrund stand, dass er nun neue Freunde finden konnte, durfte - aber auch wollte. Viele mussten lernen, mit der Freiheit umzugehen. So hatte man mit dem Fall der Mauer vieles gewonnen, aber auch manch lieb Gewordenes verloren. Doch gute Gewinner erkennt man am Umgang mit den Verlierern. So dankte er allen, die die Geschichte mitgestaltet haben – den hauptamtlichen – insbesondere OB a.D. Naumann, den ehrenamtlichen – insbesondere den Stadträten, den kritischen – hier vor allem den zu Ehrenden Dr. Schorlemmer aber auch den Freunden aus den Partnerstädten. Sein großer Wunsch für die 50-Jahrfeier ist die Schlagzeile: „Stadtrat beschließt Neubau von drei Kindertagesstätten“ – vereint dies doch alle Wünsche in einem: Friede, Zukunft, Arbeit, Finanzen und Glück.
OB Martin Wolff ging in seiner Rede auf die Sichtweise der Brettener ein, war der Mauerfall für viele doch etwas, das unmöglich erschien. Die Zeitung Wittenberger Sonntag berichtete: „Kaum jemand habe vor der Wende an das Einheitsgebot des Grundgesetzes geglaubt, sagte Brettens OB Martin Wolff. Zu undurchlässig sei der Eiserne Vorhang gewesen, aber Eisen roste, und dies schneller als gedacht. Die technische Durchführung der Einheit sei das Werk der Politiker gewesen, „aber die Voraussetzung dafür haben die Menschen geschaffen, die auf die Straße gingen“, erklärte Wolff. Aus dem „Wir sind das Volk“ sei dann „Wir sind ein Volk“ geworden.“
Als das Wirklichkeit wurde haben zunächst viele auch oft nur die finanziellen Aspekte gesehen und gewertet. Neben dem Mauerabbau war daher auch der Abbau der Mauer in den Köpfen notwendig – und hierzu bedarf es der Menschen. Dass diese in Bretten und Wittenberg da waren, zeigte sich bereits gleich nach der Wende, da man nun endlich den Kontakt, der schon vor der Wende versucht worden war, herstellen konnte. Wesentlich für den Abbruch der Mauer in den Köpfen, sei, so OB Wolff, der Kontakt bei den zahlreichen Partnerschaftstreffen gewesen.
Die Verbindung Luther mit Melanchthon, der in Wittenberg wirkte und starb, wurde zu neuem Leben erweckt durch zahlreiche Austausche insbesondere zwischen den Vereinen, die bis heute durch die gegenseitige Besuche der vielen mittelalterlichen Gruppen beim Peter-und-Paul-Fest und dem daraus in Wittenberg sich entwickelten Fest von Luthers Hochzeit wahre Freundschaften aufgebaut haben.
Während die Partnerschaft zwischen Wittenberg und Bretten von unten kam – gewollt war, wurde die Partnerschaft zwischen Wittenberg und Göttingen von den Staaten BRD und DDR „von oben“ verordnet.
Dass sich beide Partnerschaften gut entwickelt haben, hierauf ging OB Rolf-Georg Köhler aus Göttingen in seiner Ansprache ein. Trotz der Regierungskuppelei wurde aus zunächst „ziemlich guten Freunden“ wirkliche Freunde. Städtepartnerschaften befördern Freundschaften und Verständnis. Das sei innerhalb Deutschlands aber auch Europas nötig – gerade im Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingswelle.
Das war dann auch ein Thema von Friedrich Schorlemmer und des Laudators Gregor Gysi. Ziel sei und ist: Chancengleichheit für alle Kinder – egal welcher Herkunft. Friedrich Schorlemmer machte insbesondere durch seine Aktion im Rahmen des Kirchentages 1983 „Schwerter zu Pflugscharen“ weltweit auf sich aufmerksam.
Dass dies für ihn heute noch genauso wichtig ist, machte er bei seiner Dankesrede bildlich sichtbar, indem er das Symbol dieser Aktion aber auch ein Winzermesser für „Spieße zu Winzermesser machen“ vorzeigte. Seine Heimatstadt Wittenberg ist für ihn die Stätte des Friedens und er schloss mit dem Willy-Brandt-Zitat: „Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.“
Nach der Ehrung wurde vor allem die 25-jährige Städtefreundschaft gefeiert. Dies erfolgte sicht- und hörbar – durch gemeinsame Auftritte der beiden Fanfaren- und Trommlerzüge aus Wittenberg und Bretten, die beide Festakte musikalisch eröffneten. Aber auch durch eine gemeinsame Pflanzaktion von „Drei Bäume für Deutschlands Einheit“: eine Kiefer für den Osten, eine Buche für den Westen und eine Eiche als Symbol für die Deutsche Einheit.
Beim Empfang für die 25 Jahre Städtepartnerschaft Bretten und Lutherstadt Wittenberg gingen sowohl OB Zugehör als auch OB Wolff auf die Herzlichkeit dieser Partnerschaft ein, die stets geprägt war von dem Respekt vor dem, was trennt und der Freude über das, was verbindet. So war die Gedenkminute für den verstorbenen Brettener Ehrenbürger Robert Scheuble auch ein Zeichen der gemeinsamen Trauer.
In den Ansprachen wurde daran erinnert, dass Bretten schon früh um die „Braut Wittenberg“ geworben hatte. Anfangs ohne Erfolg da die Braut mit Göttingen zwangsverheiratet wurde aber letztendlich hat Bretten die Braut geküsst – dies wurde und wird bei den vielen Besuchen auch immer wieder wörtlich genommen.
Dies gilt auch für OB a.D. Paul Metzger, dem als Dank für sein hartnäckiges Werben vor mehr als 25 Jahren ein Bildpräsent von OB Zugehör überreicht wurde. OB Wolff überreichte OB Zugehör als Erinnerung an die 25-jährige Partnerschaft eine Papierrolle mit dem Zitat Melanchthons: „Zum wechselseitigem Gespräch geboren“. Dies wurde wörtlich genommen und beim anschließenden Empfang ergaben sich viele Gespräche zwischen den Gästen aus Wittenberg, Göttingen und Bretten mit dem gegenseitigen Versprechen, einander zu besuchen.