Ob in Szene gesetzte Exponate, Mitmach-Stationen oder ein buntes Rahmenprogramm: Bei der öffentlichen Wahrnehmung von Museen sind Ausstellungen von zentraler Bedeutung. Das Herzstück der Museumsarbeit bleibt für Besucher meist verborgen: Im Depot werden – in Kisten verpackt und auf Regalen gestapelt – Objekte von zeit- und kulturgeschichtlicher Bedeutung gesammelt, bewahrt und erforscht. Die Corona-Pandemie bot den Museen die Chance, den eigenen Bestand aufzuarbeiten und zu prüfen. Während 2020 die Kultureinrichtungen zeitweise schließen mussten, herrschte in den heiligen Hallen des Gerberhauses, des Deutschen Schutzengelmuseums und des Museums im Schweizer Hof reger Betrieb.
„Da während des Lockdowns keine Ausstellungen stattfanden, konnten wir uns auf unsere Depots konzentrieren und uns einen tiefergehenden Überblick verschaffen“, erzählt Museumsleiterin Linda Obhof. Schließlich lagerten tausende Exponate über das ganze Stadtgebiet verteilt in verschiedenen Unterbringungen. Neue und zentrale Lagerstätten, Hochregale, säurefreie Kisten und Tüten sowie technisches Equipment und Museumssoftware mussten her. „Bislang dürften es beim Depot in der Innenstadt etwa 250 Quadratmeter an Regalen und rund 300 Kisten sein“, schätzt Obhof. Doch der Bestand wächst stetig und längst sind nicht alle 10.677 im Altbestand gelisteten Fundstücke gesichtet. Neben neuer Inventarnummer samt Objektbeschreibung werden digital auch Größe, Herkunft und Zustand der Exponate erfasst. „So können wir die für die jeweilige geplante Ausstellung interessanten Stücke heraussuchen“, erklärt Obhof. Aber auch bei Leihanfragen, für Forschungszwecke und für die digitale Bereitstellung der Exponate sei eine Neuinventarisierung unabdingbar gewesen.
Was beim Blick in die säurefreien Kartons nach einem bunten Sammelsurium anmutet, hat Prinzip: Aus logistischen Gründen wird versucht, möglichst viele Objekte auf kleinem Raum unterzubringen. Da die Brettenerin beim Inventarisieren schon einmal alle Exponate in der Hand hatte, weiß sie genau, in welchen Kartons besondere Schätze lagern. Auch sonst fällt den Museumsmitarbeitern die Suche dank Inventarisierungssoftware nicht schwer. Für die Neuinventarisierung wurden tausende Exponate gesichtet, gereinigt, datiert, mit Inventarnummern versehen, fotografiert, im Bestand bestätigt, digital erfasst und licht- und staubgeschützt verpackt.
Nicht nur wegen der Pandemie gehörten Handschuhe und Masken zum Arbeitsalltag: Aufgrund der wechselhaften Sammlungsgeschichte waren Zustand und Lagerungsmöglichkeiten nicht immer ideal. „Einige Stücke waren eingestaubt oder verschmutzt“, berichtet das Museums-Team. Auch auf Schädlinge wie Motten oder Holzwürmer wurden die Stücke überprüft. „Vor allem Textilien behandeln wir mit besonderer Vorsicht, da sie über die Zeit äußerst fragil geworden sind“, weiß Obhof.
Die Neuinventarisierung des Museumsbestandes brachte zahlreiche Objekte zu Tage, die sich bis dato unbemerkt im Depot befanden. Viele Exponate schienen bei näherer Betrachtung deutlich interessanter, als es der Listeneintrag vermuten ließ. Auch das Verpackungsmaterial, in dem die diese über Jahre eingelagert wurden, ist für das Museum spannend. So konnten Zeitungsartikel vergangener Jahrzehnte oder Wahlzettel in den Bestand neu aufgenommen werden.
Wiederentdeckt wurden auch die Werke der Brettener Künstlerin Walheide Wittmer, die 2022 mit einer eigenen Sonderausstellung bedacht wurde. Zu den persönlichen Favoriten zählt für die Museumsleiterin aber eine Luftschutz-Apotheke aus dem Zweiten Weltkrieg. „In der Apotheke befinden sich sogar noch originale Tabletten, Tinkturen, Salben und Verbandszeug“, zeigt Obhof.
Auch wenn den Historikern verschiedene Methoden und Werkzeuge zur Verfügung stehen, um Objekte zeit- und kulturgeschichtlich einzuordnen, ist dies – wie ein Krokodil im Brettener Bestand beweist – nicht immer möglich. „Umso wichtiger ist es, die Objekte systematisch neu zu erfassen und zusammen mit ihrem Kontext für spätere Generationen zu konservieren“, resümiert Linda Obhof.
Veröffentlicht am 16.02.2023